Topic: Wiederholungen
Es ist das Denken an sich! Alle spirituellen Traditionen lehren Dinge über das Denken. Seit 15 Jahren mach ich das jetzt mit der Meditation und so. Yogash chitta vritti nirodha. Das ist die erste Yogasutra. (Der Zustand des ) Yoga ist (erreicht), wenn die Gedankenwellen zur Ruhe (ge)kommen (sind). Die vrittis sind die Wellen und chitta ist das Sammelsurium aller Gedanken, welche fortwährend aus ebendiesem (chitta) heraufblubbern. So, liebe Krabbe, das weißt du doch. Nirodha ist Stille, Ruhe und einiges mehr, ähm, weniger. Also; gar nichts.
Die meisten Gedanken haben keinen besonderen Wert, auch das sagen die Yogis, 95 % sind Müll. Da geht es um Wäsche waschen für die Reise, Zehennägel schneiden, um Fußbodenbalken, die brechen könnten (s. Dudi).
Wie immer sitzen Dudi und ich nach dem rituellen Abendmahl beim lokalen Griechen (acht Ouzo) in der neuen Bar (drei Jägermeister) (also insgesamt). Die Wände dort bestehen aus grob abgeschlagenem Putz bzw. freigelegten Backsteinen aus der Gründerzeit, mit hohen Decken und einer Art Käfigen für die dämmrigen Glühbirnen als Lampen. Uns gefällt die Ausstattung, zum Klo geht man durch eine Westernklapptür und dahinter sind gleich die Kabinen, wenn mal plötzlich die Musik ausfallen sollte, würden alle Gäste die Pinkel-, Pups- oder andere Geräusche hören können. Ähnlich seltsam wie bei der Weinbar, wo die Toiletten hinter einer matten Glaswand sind, durch geschickt gesetztes Licht können die Gäste am Waschtisch in die Kneipe blicken, aber nicht umgekehrt.
Spätestens an diesem Ort wenden sich unsere Gespräche ins Ernste, ins überwältigend Traurige gar – die beiden kommen hierher nur zum Weinen, denkt vielleicht der Barmann, der uns sicherlich wiedererkennt, denn das Lokal ist meist ziemlich leer.
Jedenfalls denken wir. Und reden. Es gibt Wörter, die Dudi nach 35 Jahren im niederen Nachbarland nur in Fremdsprache kennt. Und mir fällt nur der englische Begriff ein, unconditional love, es dauert eine Weile bis zur bedingungslosen Liebe. Ich gehe einem Gefühl nach, einem sehr kindlichen, tief ausgegrabenen, so ähnlich wie diese zerrüttenen Backsteinwände um uns, das Gefühl ist das der Ruhe und der absoluten Richtigkeit und Heileseins in Gegenwart unserer Mutter. (Auch Dudi kennt es. Sie hat gleiches mit ihrem Sohn.)
Wir finden Sprache dafür. Es gibt keinen besseren Ort als bei der Mutter. Nirgends ist es sicherer als bei Mama.
Diese Art von Wahrheit gilt bestimmt für Kleinkinder, vielleicht auch noch für Zwölfjährige. Aber in diesem Moment wird mir klar, es gilt immer noch für mich. Wir sind in einem Alter, wo andere Leute schon gestorben sind. Und immer noch ist es das Ziehen und Zerren meiner Gedanken an Mama, die mich schlaflos, hilflos, sorgenvoll – alles dies – zurücklassen.
Nirodha, so muss ich gestehen, war mir immer suspekt, obwohl ich die Notwendigkeit erkannt habe. In meiner Familie gab es kein nirodha, durfte es nicht geben, denn es hieße, für eine Weile mal nicht an die anderen zu denken, noch mehr, gar nicht zu denken. Das war anscheindend verboten. Ich floh allerdings vor dieser seltsamen Aufmerksamkeit, die nicht aufhören durfte, in meine Bücherwelten.
Auch Dudi kennt dieses zwanghafte Denken. Bei mir ist es seit ein paar Wochen wieder sehr stark (nach meinem wunderbaren Yogitraum schwebte ich zwei Wochen im Himmel), nun wieder bildreiche Sterbeszenarien, dramatische Dialoge und Liebesbekundungen. Man darf von Liebe nicht lassen, wie auch immer man sie definiert; die unangenehme Art von Liebe, die uns unsere Eltern vorgelebt haben, fand ich äußert anstrengend und so gar nicht unconditional.
Nun – meine Mutter ist lange nicht mehr sie selbst und erkennt mich nicht als ihre Tochter. Aber ich, ich halte fest, bleibe die Tochter, die zur Liebe aufgefordert, vielleicht sogar gezeugt wurde zum hab mich lieb. Denk an mich. Vergiss mich nicht. Sieh mich.
Ablenkungen gibt es. Die Arbeit, das tägliche Tun, Gespräche, Verabredungen, Spaziergänge, Schlafen. Solange es etwas zu tun gibt, hat man für diese Zeit mal frei. Aber Meditation? Der Schlüssel zum Nichtdenken, und dann noch als Methode? Zur Freiheit? Verdammt, hier hab ich dich, du verflixtes Dings. –
So, Krabbe, dafür gibt es keine Erlaubnis von der Mutter, von niemandem. –
Morgen fahren der Bildhauer und ich wieder für ein paar Tage ins Kloster Bursfelde. Die Weser wird wie immer vorbeifließen und ich werde wieder und wieder üben, meinen Gedanken Gleiches zu erlauben. Nirodha enthält auch, dass man die Gedanken nicht anhalten machen kann. Sie fließen vorbei und nichts sonst.
Die meisten Gedanken haben keinen besonderen Wert, auch das sagen die Yogis, 95 % sind Müll. Da geht es um Wäsche waschen für die Reise, Zehennägel schneiden, um Fußbodenbalken, die brechen könnten (s. Dudi).
Wie immer sitzen Dudi und ich nach dem rituellen Abendmahl beim lokalen Griechen (acht Ouzo) in der neuen Bar (drei Jägermeister) (also insgesamt). Die Wände dort bestehen aus grob abgeschlagenem Putz bzw. freigelegten Backsteinen aus der Gründerzeit, mit hohen Decken und einer Art Käfigen für die dämmrigen Glühbirnen als Lampen. Uns gefällt die Ausstattung, zum Klo geht man durch eine Westernklapptür und dahinter sind gleich die Kabinen, wenn mal plötzlich die Musik ausfallen sollte, würden alle Gäste die Pinkel-, Pups- oder andere Geräusche hören können. Ähnlich seltsam wie bei der Weinbar, wo die Toiletten hinter einer matten Glaswand sind, durch geschickt gesetztes Licht können die Gäste am Waschtisch in die Kneipe blicken, aber nicht umgekehrt.
Spätestens an diesem Ort wenden sich unsere Gespräche ins Ernste, ins überwältigend Traurige gar – die beiden kommen hierher nur zum Weinen, denkt vielleicht der Barmann, der uns sicherlich wiedererkennt, denn das Lokal ist meist ziemlich leer.
Jedenfalls denken wir. Und reden. Es gibt Wörter, die Dudi nach 35 Jahren im niederen Nachbarland nur in Fremdsprache kennt. Und mir fällt nur der englische Begriff ein, unconditional love, es dauert eine Weile bis zur bedingungslosen Liebe. Ich gehe einem Gefühl nach, einem sehr kindlichen, tief ausgegrabenen, so ähnlich wie diese zerrüttenen Backsteinwände um uns, das Gefühl ist das der Ruhe und der absoluten Richtigkeit und Heileseins in Gegenwart unserer Mutter. (Auch Dudi kennt es. Sie hat gleiches mit ihrem Sohn.)
Wir finden Sprache dafür. Es gibt keinen besseren Ort als bei der Mutter. Nirgends ist es sicherer als bei Mama.
Diese Art von Wahrheit gilt bestimmt für Kleinkinder, vielleicht auch noch für Zwölfjährige. Aber in diesem Moment wird mir klar, es gilt immer noch für mich. Wir sind in einem Alter, wo andere Leute schon gestorben sind. Und immer noch ist es das Ziehen und Zerren meiner Gedanken an Mama, die mich schlaflos, hilflos, sorgenvoll – alles dies – zurücklassen.
Nirodha, so muss ich gestehen, war mir immer suspekt, obwohl ich die Notwendigkeit erkannt habe. In meiner Familie gab es kein nirodha, durfte es nicht geben, denn es hieße, für eine Weile mal nicht an die anderen zu denken, noch mehr, gar nicht zu denken. Das war anscheindend verboten. Ich floh allerdings vor dieser seltsamen Aufmerksamkeit, die nicht aufhören durfte, in meine Bücherwelten.
Auch Dudi kennt dieses zwanghafte Denken. Bei mir ist es seit ein paar Wochen wieder sehr stark (nach meinem wunderbaren Yogitraum schwebte ich zwei Wochen im Himmel), nun wieder bildreiche Sterbeszenarien, dramatische Dialoge und Liebesbekundungen. Man darf von Liebe nicht lassen, wie auch immer man sie definiert; die unangenehme Art von Liebe, die uns unsere Eltern vorgelebt haben, fand ich äußert anstrengend und so gar nicht unconditional.
Nun – meine Mutter ist lange nicht mehr sie selbst und erkennt mich nicht als ihre Tochter. Aber ich, ich halte fest, bleibe die Tochter, die zur Liebe aufgefordert, vielleicht sogar gezeugt wurde zum hab mich lieb. Denk an mich. Vergiss mich nicht. Sieh mich.
Ablenkungen gibt es. Die Arbeit, das tägliche Tun, Gespräche, Verabredungen, Spaziergänge, Schlafen. Solange es etwas zu tun gibt, hat man für diese Zeit mal frei. Aber Meditation? Der Schlüssel zum Nichtdenken, und dann noch als Methode? Zur Freiheit? Verdammt, hier hab ich dich, du verflixtes Dings. –
So, Krabbe, dafür gibt es keine Erlaubnis von der Mutter, von niemandem. –
Morgen fahren der Bildhauer und ich wieder für ein paar Tage ins Kloster Bursfelde. Die Weser wird wie immer vorbeifließen und ich werde wieder und wieder üben, meinen Gedanken Gleiches zu erlauben. Nirodha enthält auch, dass man die Gedanken nicht anhalten machen kann. Sie fließen vorbei und nichts sonst.
akrabke | 05. Mai 2019, 23:39 | 0 Kommentare
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